1.2 Erweiterung der MENDELschen Regeln

Aus Biostudies
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Die MENDELschen Gesetze gelten nur beim Vorliegen sog. dominant-rezessiver Erbgänge, also bei der Vererbung von Merkmalen, bei denen eines dominant gegenüber dem rezessiven Charakter ist, nicht jedoch bei intermediären Erbgängen (hier nehmen – um es mit den Worten MENDELs zu formulieren – beide Erbfaktoren Einfluß auf die Merkmalsform ihrer Träger, wobei dann die Aussage der Mischhypothese gilt). Weiterhin werden heute (überwiegend aus der molekulargenetischen Forschung) andere Termini als zu MENDELs Zeiten verwendet. So spricht man heute nicht mehr von Erbfaktoren sondern vielmehr von sog. Allelen.

Wie bekannt ist, entstehen alle morphologischen und anatomischen Merkmalsformen (man spricht hier vom sog. Phänotyp[1]) indirekt aus proteincodierenden Genen (Genotyp[2]). Diese Proteine bilden entweder selbst den Phänotyp oder wirken beispielsweise als Transportmoleküle oder Enzyme beim Aufbau dieses mit. Die Gene, die dabei für ein bestimmtes Merkmal zuständig sind, können innerhalb einer Population variieren oder auch innerhalb eines diploiden Organismus, also für einen Organismus mit zwei Chromosomenpaaren (für den die MENDELschen Gesetze im Übrigen streng genommen nur gelten), in verschiedenen Ausprägungen auf den Chromosomen vorliegen. Eine (unter möglicherweise vielen) dieser möglichen Ausprägungsformen wird als Allel bezeichnet. Diploide Organismen besitzen also zwei homologe Chromosomenpaare mit insgesamt zwei Allelen (eines auf jedem Chromosom) an einer bestimmten Stelle des Chromosoms, dem sog. Locus.

Dabei wurde je ein Allel vom Vater und ein Allel von der Mutter geerbt. Das heißt im Umkehrschluß, daß von je zwei Allelen (für ein bestimmtes Merkmal), die ein diploider Organismus besitzt, nur eines davon an die Nachkommen weitergegeben wird (Segregation). Im Zuge des Experiments zur Uniformitätsregel hieße das, daß die F1-Organismen alle die Gene für die Ausbildung weißer als auch lilafarbener Blüten haben, erstere jedoch vom dominanten "lila Blüten-Gen" überdeckt waren. Die F1-Individuen teilten dann bei ihrer Kreuzung untereinander je eines der Gene auf die weiblichen bzw. männlichen Gameten (Fortpflanzungszellen) auf – und zwar mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 %. In der F2-Generation erschienen dann mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 % reinerbige plus 50 % mischerbige lilablühende Pflanzen und 25 % weißblühende Erbsen (3 : 1). Man sagt, daß die F2-Generation zu 25 % homozygot (reinerbig) lilablühend, zu 25 % homozygot (reinerbig) weißblühend und zu 50 % heterozygot (mischerbig) lilablühend ist.

Daher müssen die MENDELschen Gesetze weiter modifiziert werden:

  • 1. Regel: Uniformitätsregel
  • beim dominant-rezessiven Erbgang:
Werden in einem monohybriden Versuch sich in einer Merkmalsform unterscheidende homozygote Organismen (P-Generation) gekreuzt, so sind alle F1-Organismen uniform, wobei die Merkmalsform des dominanten Allels die des rezessiven Allels überdeckt.
Als Beispiel hierfür kann die von MENDEL herangezogene Gartenerbse dienen.
  • beim intermediären Erbgang:
Werden sich in einer Merkmalsform unterscheidende homozygote Organismen (P-Generation) gekreuzt, so sind alle F1-Organismen uniform und zeigen eine Mischausprägung der elterlichen Merkmalsformen.
Als Beispiel kann hier die Wunderblume (Mirabilis jalapa) angeführt werden. Die Parentalorganismen können hier rot- oder weißblütig sein. Bei dieser Merkmalskombination zeigen jedoch die Exemplare der Filialgeneration eine Mischfarbe aus rot und weiß, sind also rosa. Die Allele für die Rot- bzw. Weißfärbung sind gleich dominant und werden daher zu gleichen Teilen im Phänotyp ausgeprägt.
Ausnahmen von der Uniformitätsregel bilden oft Allele, die sich auf den Geschlechtschromosomen (Gonosomen) befinden. Hier sind die Individuen der F1-Generation nicht uniform.
  • 2. Regel: Spaltungsregel
  • beim dominant-rezessiven Erbgang:
Werden bei einem monohybriden Kreuzungsexperiment die F1-Individuen miteinander kombiniert, spaltet sich die F2-Generation phänotypisch im Verhältnis 3 : 1.
  • beim intermediären Erbgang:
Werden bei einem monohybriden Kreuzungsexperiment die F1-Individuen miteinander kombiniert, spaltet sich der Phänotyp der F2-Generation im Verhältnis 1 : 2 : 1 (in 25 % der einen Hälfte der P-Generation, 50 % behalten den Phänotyp der F1-Generation und 25 % erhalten die phänotypische Ausprägung der anderen Hälfte der P-Generation).
Beim Beispiel der Wunderblume sind in der F2-Generation 25 % weißblühend, 50 % rosablühend und 25 % besitzen rote Blüten.
  • 3. Regel: Unabhängigkeitsregel (Neukombinationsregel)
Beim dihybriden Erbgang spalten sich die Individuen der F2-Generation in einem Verhältnis von 9 : 3 : 3 : 1. Die Allele für die unterschiedlichen Merkmalsformen werden miteinander kombiniert.
Diese Regel besitzt jedoch nur dann Gültigkeit, wenn die beiden für die entsprechenden Merkmale verantwortlichen Gene sich auf dem selben Chromosom befinden bzw. dann weit genug voneinander entfernt liegen, so daß sie regelmäßig durch Crossing-over unabhängig voneinander vererbt werden können.

[1]: äußere Erscheinungsform von Organismen

[2]: Gesamtheit aller Gene eines Organismus